Die letzte Woche war ein bisschen so wie “Wir warten aufs Christkind”, nur mit dem Unterschied, dass wir nicht auf das Christkind, sondern auf die Ankunft des Babys meiner Freundin Denise gewartet haben, und dass Babys es halt mit dem Ankunftsdatum nicht immer ganz so genau nehmen wie eben das Christkind.
Tag X war von einem Arzt fuer den 14. Oktober angekündigt worden, die “Hellseher” des Krankenhauses hatten sich mutig aus dem Fenster gelehnt und den 12. Oktober vorhergesagt – so eine Art Geburts-Meteorologen: Nichts Genaues weiss man nicht, das aber ganz sicher.
Der 12. verstrich. Nichts tat sich. Gar nichts. Kein Zucken, kein Mucken, kein Ziepen. Der 13. kam und veging. Und auch der 14. tröpfelte einfach so dahin, ohne dass sich auch nur die kleinste Kleinigkeit rührte. Denise hatte zwischenzeitlich dreimal ihre Krankenhaustasche umgepackt und immer wieder neue Sachen fürs Baby eingepackt. Sie war zur Fussreflexzonen-Massage gegangen, weil das Wehen auslösen kann, die koreanischen Fusspflegerinnen schienen aber genau das vermeiden zu wollen, und unterhielten sich aufgeregt darüber, welche Reflexzone man besser vermeide. Es wurde eine halbe Ananas zum Frühstück verspeist – soll auch Wehen auslösen, machte aber nur Sodbrennen. Denise trank ein kleines Gläschen Wein – nichts. Scharfes Essen – nichts. Power Walking bei Einbruch der Dunkelheit – niente, nothing, rien.
Dafür häuften sich die Anrufe interessierter Freunde: Tut sich schon was? Ist es schon da? Bist du gerade im Krankenhaus? “Du musst dich mal entspannen!” – Geschätzte sieben SMS pro Stunde. Kein Gedanke daran, dass man der werdenden Mutter so eher zu einem Nervenzusammenbruch als zu Wehen verhelfen würde.
Samstagnachmittag – es ging immer noch nichts – sind Denise und ich dann auf eine ausgiebige Shoppingtour gegangen. Sind Sie mal mit einer Hochschwangeren einkaufen gegangen? Egal, wo Sie hinkommen, jeder hat eine Entbingunsgeschichte zu erzählen – leider nicht immer nur gute: “Ich hab 34 Stunden in den Wehen gelegen und dann haben sie doch einen Kaiserschnitt gemacht!”, “Alle meine Babys wurden mit der Saugglocke rausgeholt und hatten dann wochenlang einen keilförmigen Kopf!” – und dann all die Leute, die sagen: “Darf ich mal deinen Bauch anfassen?” Ich renn doch auch nicht rum und frag jeden bierbäuchigen Mann , ob ich mal seine Wampe tätscheln darf!
Am Sonntag kamen wir der ganzen Sache dann näher: Es wurde eingeleitet. Ab jetzt ging es nur noch um Stunden. Telefonketten zwischen den Eltern in Deutschland, Schwiegereltern, Freunden und dem Krankenhaus wurden erstellt. Es ging darum, wer wann die aktuellsten Nachrichten hatte – während Denise vom Kreisssaal aus noch munter vor sich hin SMSte und Emails verschickte: SMS Denise: Habe jetzt echt heftige Wehen!
SMS Ella: Wenn das echte Wehen wären, würdest du nicht mehr texten.
SMS Denise: Es schüttelt mich gut durch.
SMS Ella: Nicht texten, pressen.
Und dann kam die letzte SMS um 15.38 Uhr.
Um 17 Uhr und vier Minuten hat dann ein kleines, perfektes und gesundes “Germanican-Mädchen” (Germanican = German-American) mit Namen Luisa das Licht der Welt erblickt und alle um sich herum sofort in ihren Bann gezogen.
Stand heute: Es wird bereits fieberhaft an Doppelter Staatsbürgerschaft gearbei-tet, sie weint und nuckelt bilingual und wenn sie mal erst sechs Jahre alt ist, weiss Denise schon genau, in welches Reiter-Ferien-Camp Luisa gehen wird.
Herzlich willkomen im ganz normalen Wahnsinn, kleine Luisa!
Tschüss, Ihre Ella.