Eine Woche hat mir mein Chef gegeben. Eine Woche um nach einem Jahr mal eben wieder nach Deutschland zu fliegen und alle die, die mir lieb und teuer sind, zu besuchen. Eine Woche, von Sonntag bis Sonntag, und das inklusive der zwei Tage, die für die Fliegerei draufgehen.
Schon Stress am Flughafen: Man muss vier Stunden vor Abflug da sein, damit man sich der etwa sechs-minütigen Sicherheitskontrolle unterziehen kann. Schuhe aus, Pulli aus, Gürtel raus, alle Taschen ausräumen, Laptop aus der Tasche holen, alles aufs Band, durchgeguckt, alles wieder anziehen, wegräumen und völlig verschwitzt dann drei Stunden und 50 Minuten auf den Abflug warten. Dann ein sechsmonatiges Kleinkind in der Reihe vor mir, das den ganzen Flug lang heult. Keine Minute Schlaf. Ein doofer Zöllner, der sich von mir den ganzen Inhalt meines Koffers erklären lässt anstatt mich einfach darum zu bitten, ihn aufzumachen. Fahrt nach Hause, mein Vater und mein Bruder haben mich abgeholt. Auto abholen. Koffer auspacken, duschen, Mittagessen, ab in die Stadt, die alten Kollegen besuchen. Pläuschchen hier, Pläuschchen da. Alles schnell, schnell. Ab nach Hause. Abendessen. Schlafen. Auch nur kurz. Am nächsten Morgen fängt der Shopping-Marathon an. 65 Euro bei Aldi – die haben zum Glück schon die Weihnachtssachen. 45 Euro bei DM – Deoroller, die Amerikaner haben nur Stifte, Pflaster am Stück, Frottee-Haarbänder, HIP-Baby Tee für das Baby meiner Freundin, Guhl Haarspülung. Karierte Ringbücher, Bastelkalender, C&A-Unterwäsche, Zahnbürsten, Voltaren-Gel und Ilon-Abszess Salbe, Birkenstöcker für den Liebsten. Dazwischen noch hier ein Käffchen mit der Freundin, da ein Mittagessen bei Mama. Aus dem Auto, rein ins Auto.
Mittwochmorgen Zahnarzttermin – muss ich in den USA auch privat bezahlen, da kann ich´s auch gleich hier machen lassen, wo ich die Leute kenne und Connie, meine Mundhygienikerin (Connie, ich hoffe, dass das so heißt), mich nicht für jede Tasse Tee, die ich trinke, anmeckert, wie die Trine in den USA das gemacht hat.
Dann frühstücken mit meinem kleinen Neffen. Ab in den Spielzeugladen – man hat ja was gutzumachen, wenn man nur einmal im Jahr zu Besuch kommt – zum Glück hat er sich dann breitschlagen lassen und ist mit mir noch schnell ein paar Besorgungen machen gegangen. Zwischenzeitlich drei Anrufe und noch mehr Termine gemacht. Mama zum Mittagessen abgesagt, mit Katja zum Frühstück verabredet, muss noch mit Oma und Papa Fotos gucken, Kolumne schreiben. Will ich Mittwochnachmittag bei Mama machen, aber deren Rechner hat kein Microsoft Office Paket, also dann doch wieder zu Papa und da schreiben. Vielleicht sollte ich das Mittagessen morgen absagen. Ich muss auch noch zur Post, weil ich inzwischen so viel eingekauft habe, dass ich es nicht alles im Koffer mit-kriege. Die Pakete lasse ich alle ins Büro schicken, weil der Liebste sonst in Anbetracht von 18 Tafeln Milka und zehn Tüten Lakritz sofort ins Zucker-Koma fällt.
Als ich dann am Mittwochnachmittag meine Brille nicht finden kann, bin ich dem Nervenzusammenbruch näher denn je.
Ich schwöre, wenn ich das nächste Mal komme, dann werde ich vorher eine Email mit folgendem Inhalt rumschicken: Liebe Freunde, ich werde nächste Woche für ein paar Tage in Bocholt sein. Wenn ihr mich sehen möchtet, dann könnt ihr mich am Donnerstag von 9 bis 13 Uhr und am Montag von 14 bis 17 Uhr bei Cafe Sahne treffen. Außerhalb dieser Zeiten bin ich mit Einkaufen beschäftigt und möchte Zeit mit meiner Familie verbringen. Vielen Dank für euer Verständnis.
Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Ich liebe meine Freunde, aber ich schaffe es einfach weder psychisch noch physisch, mich in fünf Tagen mit jedem zu treffen. Beim besten Willen nicht.
Wenn Sie das hier lesen, habe ich meine Koffer schon wieder gepackt und werde am Sonntagmorgen zurück zum Liebsten fliegen. Eigentlich wollte ich am Montag schon wieder arbeiten gehen, hab mir dann aber doch noch einen Tag frei genommen, denn nach diesem Urlaub bin ich echt urlaubsreif.
Und an alle, die ich gesehen habe: War echt toll, mal wieder in der gleichen Zeitzone zu quatschen. Und alle, die ich nicht gesehen habe: Nicht böse sein – klappt dann nächstes Mal.
Tschüss, Ihre Ella.