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Wednesday, September 7, 2011

Erster Schultag


Hallo!
Der Sommer ist eindeutig vorbei. Ob in Bocholt oder bei uns auf Long Island – überall hat diese Woche die Schule wieder angefangen und für Horden von kleinen I-Dötzchen hat der vermeintliche Ernst des Lebens begonnen. In den USA laeuft das mit dem ersten Schultag alles etwas anders als in Deutschland. Man ist da irgendwie unemotionaler: Stundenpläne werden schon während der 10-wöchigen (!) Ferien per Email an die Eltern verschickt, zusammen mit Einkaufslisten für den Büroartikel Großmarkt. Kaum jemand wird zur Schule gebracht – der große, gelbe Schulbus holt vom Erstklässler bis zum Abiturienten jeden an der Straßenecke ab. Und so stand auch Klein-Carlee, die Tochter meiner Freundin, am Mittwochmorgen mit Mama und Papa an der Straßenecke, ein Schild mit ihrem Namen, der Schule und dem Namen der Klassenlehrerin um den Hals, und fuhr, nach ein paar Fotos fürs Familienalbum, in die große, weite Welt davon. Erster Schultag, Unterricht von halb neun bis um drei und Hausaufgaben gabs dann auch schon auf. Und das Wichtigste: Kein Schultüte. Das kennen die hier nicht – auch so einen Bildungslücke. Ich hab meinen Arbeitskollegen heute erzählt, was eine Schultüte ist, und die haben mich mit großen Augen angeguckt als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank. Eine “School bag” mit Süssigkeiten, witzigen Radiergummis, Spielzeug und Wachsmalstiften ist halt nicht das, was amerikanische Kinder zur Einschulung bekommen – die bringen hier alle ihr eigenes Laptop mit in den Unterricht! Um den Amerikanern zu zeigen, wie Schultüte geht, habe ich sogar ein Foto von meinem ersten Schultag rausgekramt: Andrea, Denise, Petra und ich auf den Stufen der Josefschule, rausgeputzt bis zum Gehtnichtmehr, alles im feinsten Stil der 70er Jahre - Lederranzen, Schiefertafel und die überdimensionale Schultuete, die zu zeichnen unsere erste Hausaufgabe war. Gut, heute sind eher Spiderman, Barbie und Transformers auf den Schultüten – aber meine Kollegen haben begriffen, worum es geht.
Ansonsten ist der erste Schultag wohl überall auf der Welt ähnlich: Wie kann man sich nach den Sommerferien den Klassenkameraden wohl am besten präsentieren? Was ziehe ich an? Carlees 13-jaehrige Schwester Carolanne hat satte drei Wochen an ihrem “1. Schultag-Outfit” gearbeitet, sich dann für Cowboyboots, Minirock, weißes T-Shirt und Jeansjacke entschieden, nur um dann am Mittwochmorgen bei 15 Grad und Dauerregen alle Pläne verwerfen zu müssen.
Wie haben die Jungs den Sommer überlebt? Neben wem werde ich sitzen? Wie nahe kann ich neben meinem Schwarm sitzen? Zeigt meine Sommerbräune, dass ich weit weg im Urlaub war? Kriege ich nette Lehrer?
Meine Mutter hat mich immer in der Woche vor Schulanfang zum Klamotten kaufen mit in die Stadt genommen und am Nachmittag des ersten Schultags sind wir zusammen zu Karstadt und zu Hammesfahr und zu Boeckenhoff und Temming gegangen, um den ganzen Schulkram einzukaufen – das war fast schon ein Ritual. Und ich weiss noch ganz genau, wie ich am ersten Schultag im Mariengymnasium mit all den anderen Sextanern im Stadttheater gesessen und ängstlich darauf gewartet habe herauszufinden, wer in meiner Klasse sein wuerde.
Der erste Schultag kann das ganze Schuljahr entscheiden: Das Jahr, indem ich es geschafft hatte, vom ersten Tag an in Deutsch neben Thomas zu sitzen und aus seinen ordentlichst gefuehrten Heften abschreiben zu können, hat mir damals ein eins eingebracht.
Manchmal vermisse ich Schule (und Denise und Andrea).
Tschüss, Ihre Ella.

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